Wenn "Mindfulness" erklärt wird, heißt es kurz gesagt und auf den Punkt gebracht häufig, es gehe darum, im "Hier & Jetzt" zu sein. Aber was bitte soll das genau heißen? Und vor allem - wofür soll das gut sein? Studien und Publikationen zum Thema gibt es wie Sand am Meer, da will ich hier gar nicht in Konkurrenz treten. Hier soll es um eine ganz persönliche Reflexion meiner eigenen Erfahrung gehen, "down to earth" und praxisnah.
Als ich meine ersten Berührungspunkte mit Meditationspraxis gemacht habe, da klang das für mich einfach nur abstrakt, ein bisschen spirituell, irgendwie mystisch: "im gegenwärtigen Moment voll und ganz bewusst und wertfrei zu sein".
Rein intellektuell lässt es sich dann mit der Lektüre der entsprechenden Studien ganz gut erfassen, dieses "präsent sein im gegenwärtigen Moment". Im Grunde geht es also um die Vermeidung von Multitasking(was unser Gehirn sowieso nicht wirklich leisten kann, und wenn nur unter massiven Qualitätsverlusten), sondern voller Fokus auf die aktuelle Situation, das aktuelle Befinden. Denn alles andere kann ich sowieso gerade nicht beeinflussen. So weit so schön. Und physisch war ich natürlich bei jeder Meditation voll und ganz anwesend, man sitzt ja möglichst bewegungslos da.
Nur da oben im Geist, da drehte sich das Gedanken-Karussell schneller denn je. Vor und zurück - von der stetig wachsenden To-do-Liste zum wichtigen Meeting morgen zum unangenehmen Gespräch letzte Woche zum Gefühl der Scham, weil ich mich immer noch nicht bei diesem und jenem gemeldet habe zu.... ihr kennt das? Klar, jeder kennt das. Wie Andreas Knuf in seinem erhellenden Buch "Ruhe da oben" so schön beschreibt, der nervenzehrende Streit mit dem Kollegen verfolgt einen auch bis zum schönsten einsamen Sandstrand in Thailand.
Es hat eine ganze Weile gedauert, bis ich gemerkt habe, dass es weniger wird. Wirklich und immer öfter - weniger Gedankenkino. Kann ich beweisen, dass es mit regelmäßiger Achtsamkeitspraxis zusammenhängt? Natürlich nicht, das machen die schon erwähnten zahlreichen Studien, die ich zum Großteil zuvor gelesen habe.
Den Benefit habe ich aber nicht durch das Lesen der Studien bekommen - den Benefit habe ich durch die Selbsterfahrung, die Praxis bekommen. Und dann werden all diese Plattitüden, über die auch ich mich früher gerne wahlweise lustig gemacht oder geärgert habe, mehr und mehr erlebte Realität. "Freude an den kleinen Dingen", "den Moment mit allen Sinnen genießen", "Gelassenheit auch bei übervollen To-do-Listen walten lassen", "in Konfliktgesprächen ruhig und klar bleiben" - ich denke jeder der bis hierhin gelesen hat, kann die Liste weiterführen. Und jeder, der eine regelmäßige Meditationspraxis pflegt, kann vermutlich sagen: "Stimmt wirklich - es funktioniert. Nicht immer, aber immer öfter und immer besser."
Ich bin weniger gestresst, ich bin gelassener, ich bin klarer und standfester auch in schwierigen Gesprächen - und ich finde sehr viel Freude in Alltagsmomenten. Auch dies nicht immer, aber immer öfter.
So wie gestern bei einem Spaziergang durch einen Pinienwald, wo ein schräg gewachsener Baumstamm zur kurzen Pause eingeladen hat. Mit dem Rücken an den Stamm gelehnt, den Blick zum blauen Himmel, im Hintergrund das Meeresrauschen und für ein paar Minuten diesen Lichtzauber beobachten, der sich durch die Zweige über mir geschlängelt hat. Bemerken, dass die Pinienzapfen in verschiedensten Größen am Baum wachsen. Die Struktur der Baumrinde mit den Handflächen ertasten. Vogelgezwitscher im Ohr, ein Hauch von Frühling in der Luft.
Es mögen nur wenige Minuten gewesen sein, wo nichts anderes im Vordergrund stand - ich weiß es nicht. Auch das gehört manchmal dazu, nicht immer auf jede Minute zu schauen, nicht immer Sklave des Zeitplans zu sein. Ganz ohne schlechtes Gewissen.
Es ist unglaublich entlastend, einfach nur zu sein. Ohne Hadern mit was war, ohne das Morgen zu planen und vorauszudenken. Ein vollkommenes Gefühl von integer sein, ganz sein, da sein ("Dasein"?).
So weit so gut, mag der ein oder andere jetzt denken, ein schöner Selbstzweck zur Selbstoptimierung des individuellen Befindens - davon ändert sich nichts im Außen, davon "transformiert" sich nichts. Dem möchte ich mit Nachdruck zurufen: Doch! Nur aus dieser Position des Innehaltens, Zentrierens, Hinschauens und Regenerierens erwächst die Kraft zur Transformation. Zu nachhaltiger, sinnvoller, emergenter Transformation. Zu inklusiver Transformation - nur wenn ich ganz bei mir bin, kann ich mich anderen Personen, anderen Perspektiven und dem Ökosystem um mich herum öffnen.
Selbstliebe ist die Voraussetzung für Liebe, Selbsterkenntnis die Voraussetzung für Erkenntnis, Selbstbewusstheit die Voraussetzung für Bewusstheit. Die Fähigkeiten zu lieben, zu erkennen und sich der Dinge bewusst zu werden erscheinen mir essentiell, um organische Veränderungen zu initiieren, die nachhaltig nicht nur für mich, sondern für mein gesamtes Ökosystem gut sind. Oder besser gesagt, für die verschiedenen sozialen Systeme, in denen ich agiere und "eine Rolle spiele".
Und da ist es wieder, mein Faible für Sprache. "Eine Rolle spielen", das ist es, was wir auf der Bühne unseres Lebens stetig tun. Ein Schauspieler braucht absolute Präsenz im gegenwärtigen Moment, Kontrolle über Geist und Emotionen, Konzentration und Klarheit, um die Rolle gut zu spielen. Auf der Bühne des Lebens sieht es nicht anders aus - die Performance wird durch Mindfulness enorm verbessert, und das eigene Befinden ebenso.
Mindfulness alleine ist sicher auch nicht der Weisheit letzter Schluss. Eine Schlüsselkompetenz ist es ganz gewiss. Eine Kompetenz, die enorm hilfreich ist, um Entwicklung zum Guten möglich zu machen. Um Ressourcen zu bündeln und damit nachhaltige Transformation zu gestalten. Im Innen wie im Außen.
Oder wie kürzlich in einem inspirierendem LinkedIn Post von Jorien van Duijn zu lesen war:
""Being" is not a new goal - Intuition is not a new tool - Mindfulness is not a new medicine.
They’re gateways - guiding us toward what the world desperately needs: aligned action."
Was ist eure Erfahrung, was sind eure Gedanken zu dem Thema? Schreibt uns gerne an info@werkraum-retreat.com.


Sandra Wegmeyer & Elske Jilli- González
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